N-Acetyl-L-Cystein (NAC) | Stiftung Orthoknowledge (2024)

N-Acetyl-L-Cystein (NAC) ist die acetylierte Form von L-Cystein, einer schwefelhaltigen Aminosäure, die der Körper aus der Aminosäure L-Methionin selbst herstellen kann, deren Synthese unter bestimmten Bedingungen aber nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken. Daher gilt NAC als semi-essentielle Aminosäure. Die Supplementierung mit NAC hat gegenüber L-Cystein den Vorteil, dass es besser vertragen wird, eine höhere biologische Verfügbarkeit aufweist und weniger oxidationsempfindlich ist.

NAC kann für die Synthese von Proteinen in L-Cystein umgewandelt werden. Weiterhin ist NAC ein Donor von Schwefelgruppen (Sulfhydryl- oder SH-Gruppen), ein wirksames Antioxidans und die direkte Vorläufersubstanz von Glutathion, dem wichtigsten intrazellulären Antioxidans. NAC schützt Gewebe und Organe vor Alterung und Schädigung durch freie Radikale. Bei Sportlern wirkt sich NAC günstig auf die Ausdauer aus, auch wegen seiner antioxidativen Aktivität im Muskelgewebe. In den Luftwegen sorgt NAC dafür, dass festsitzender Schleim flüssiger wird, sich dadurch leichter ablöst und entfernt werden kann. NAC unterstützt die Leberfunktion und schützt vor toxischen Wirkungen verschiedener Stoffe, darunter Schwermetalle, Zytostatika und Paracetamol (siehe Wechselwirkungen). Teilweise bedingt durch die Glutamataktivität im Gehirn kann NAC bei Zwangsstörungen (obsessive-compulsive disorderbzw.OCD) und bei der Rehabilitation von Abhängigkeiten (Rauchen, Cannabis, Kokain, Spielsucht) positiv wirken.

NAC kann bei verschiedenen (chronischen) Erkrankungen eingesetzt werden, bei denen oxidativer Stress und/oder Entzündungsvorgänge eine Rolle spielen. Zudem begrenzt NAC Ischämie-Reperfusionsschädigungen von Organen und Geweben (Leber, Herz, Gehirn, Nieren).

Quellen

Die semi-essentielle Aminosäure Cystein kommt in eiweißreichen Nahrungsmitteln vor, so in Milchprodukten, Fleisch und Geflügel. NAC kommt in der Nahrung nicht vor und ist nur als Ergänzungsmittel verfügbar.

Anzeichen eines möglichen Mangels

Abgesenkter Glutathionstatus, erhöhter oxidativer Stress, Entzündungen, schnelle Alterung

Indikation

  • Verschleimte Luftwege und/oder Nasennebenhöhlen, Erkrankungen der Luftwege (Luftwegsinfektionen, Emphyseme, chronische Bronchitis, Mukoviszidose, Asthma, Sinusitis, Heuschnupfen, Lungenfibrose)
  • chronische Lebererkrankungen
  • toxische Belastung (siehe Wechselwirkungen)
  • Alterung
  • HIV/AIDS (Verbesserung des Glutathionstatus)
  • Immunoseneszenz bei Älteren (altersbedingte Verschlechterung des Immunsystems mit dadurch verminderter Widerstandskraft und chronischer niedriggradiger Entzündung)
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Sport (höhere Ausdauer, schnellere Erholung)
  • Abhängigkeiten (Rauchen, Spielsucht, Cannabis, Kokain, Methamphetamin, Heroin)
  • Zwangsstörungen (obsessive-compulsive disorderbzw.OCD), Automutilation
  • Sjögren-Syndrom (Augenbeschwerden)
  • Sichelzellenanämie
  • Krebs und Krebsprävention
  • Diabetes mellitus (Verbesserung der glykämischen Kontrolle, Prävention von Komplikationen, darunter Thrombosebildung)
  • Pankreatitis
  • Nierenerkrankungen
  • PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom)
  • IVF, In-vitro-Fertilisation (in Kombination mit Clomifen)
  • Infektion mit Helicobacter pylori (Verursacher von Ulcus pepticum, Magenkrebs)
  • Arthritis
  • Morbus Crohn
  • Autismus-Spektrum-Störung
  • Depression, bipolare Störung (depressive Phase)
  • Schizophrenie
  • Hirnverletzung, Rückenmarksverletzung, Schlaganfall
  • Prävention der Lärmschwerhörigkeit
  • Bell’sche Faszialisparese

Kontraindikation

Anwendungsempfehlungen

  • Allgemeine Dosisempfehlung: 600-1200 mg/Tag (Einnahme außerhalb der Mahlzeit mit Wasser oder Fruchtsaft)
  • Therapeutische Dosierung: 1200-2400 mg/Tag, gegebenenfalls zeitweise bis auf 3600 mg/Tag erhöhen
  • Starke Verschleimung: 400-600 mg/Tag

Wechselwirkungen

  • NAC ist das übliche Antidot (Gegenmittel) bei einer Paracetamol-Vergiftung (Acetaminophen) und bei Verzehr eines der weltweit giftigsten Pilze, Amanita phalloides (grüner Knollenblätterpilz).
  • NAC schützt vor der Toxizität von (Schwer-)Metallen wie Blei, Cadmium, Quecksilber und Aluminium.
  • NAC verstärkt möglicherweise die Wirkung von Blutgerinnungshemmern und erhöht möglicherweise das Blutungsrisiko. Seien Sie bei der NAC-Supplementierung zurückhaltend.
  • NAC kann die Wirkung von Chloroquin verringern.
  • Seien Sie bei der NAC-Supplementierung zurückhaltend, wenn Sie Nitroglyzerin anwenden. NAC kann in Kombination mit intravenös verabreichtem Nitroglyzerin zu Hypotonie und heftigen Kopfschmerzen führen und die gerinnungshemmende Wirkung von Nitroglyzerin verstärken. Günstig ist, dass NAC die Nitroglyzerin-Toleranz verringert.
  • NAC schützt vor der (Neuro-)Toxizität des Geschmacksverstärkers MNG (Mononatriumglutamat, „Ve-tsin“), des künstlichen Süßstoffs Aspartam und von Acrylamid in der Nahrung (präklinische Studie).
  • Der Schädigung des Gehörs (Ototoxizität) und der Nieren (Nephrotoxizität) durch Gentamicin und andere Aminoglykoside (darunter Amikazin) wirkt NAC entgegen. Allerdings weisen In-vitro-Untersuchungen auf die Möglichkeit hin, dass die antibakterielle Wirkung von Aminoglykosiden durch die Supplementierung mit NAC abnimmt.
  • Minocyclin und NAC haben eine synergetische, günstige Wirkung auf die Hirnfunktion nach einer Hirnverletzung (Tierstudie).
  • NAC kann die Wirkung von Antidepressiva, so auch die des spezifischen Serotonin-Wiederaufnahmehemmers (SSRI) Escitalopram und des trizyklischen Antidepressivums Imipramin verstärken.
  • NAC schützt vor der Toxizität von Zytostatika wie z.B. Dactinomycin, Cisplatin, Doxorubicin, Bleomycin, Ifosfamid, Oxaliplatin und Methotrexat, wahrscheinlich ohne die Wirkung von Zytostatika negativ zu beeinflussen.
  • Der Leber- und Nierenschädigung durch Cyclosporin wirkt NAC entgegen.
  • NAC verringert die starke Überempfindlichkeit der Luftwege gegenüber Dieselabgasen und reduziert dadurch den Bedarf an Bronchodilatatoren.
  • NAC schützt vor der Toxizität von Methylendioxymethamphetamin/Ecstasy (Nervensystem), Alkohol (Leber, Nervensystem) und Nikotin (Lunge).
  • NAC schützt vor Leberschäden durch Methimazol, einen Arzneistoff gegen Hyperthyreose.
  • NAC schützt vor einer durch Siliziumdioxid (Kieselerde) induzierten Lungenfibrose (Tierversuch).
  • NAC bietet Chemoprotektion gegen Giftgase wie Senfgas und Phosgen (Tierversuch).
  • NAC schützt vor Leberschädigungen durch Statine.
  • Es gibt Hinweise darauf, dass NAC die blutdrucksenkende Wirkung von ACE-Hemmern, so auch von Captopril, verstärkt.
  • NAC schützt vor Insulinresistenz, Leberschädigungen und Leberentzündung, die durch das Insektizid Malathion verursacht werden.
  • NAC schützt Knorpelzellen vor der Schädigung durch eine Lokalanästhesie (präklinische Studie).

Sicherheit

Die Anwendung von NAC in den empfohlenen Dosierungen ist unbedenklich.

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